KUNST HASSEN
Eine enttäuschte Liebe
Von Nicole Zepter
Eine Buchrezension, 22. Juni 2018
„Kunst hat an Quantität, nicht zwangsläufig an Qualität gewonnen.“
Nicole Zepter
Als ich dieses Buch zum ersten Mal in Händen hielt, fragte ich mich beim Lesen des Titels „KUNST HASSEN – Eine enttäuschte Liebe“, ob dies überhaupt eine These darstellt, mit der ich mich beschäftigen möchte; bin ich doch durch und durch Kunstliebhaberin – wie Ihr alle wisst! Nach dem Umdrehen des Selbigen und überfliegen der Rückseite merkte ich jedoch, dass dieses Buch eine Thematik aufgreift, die wohl nicht nur mich seit geraumer Zeit beschäftigt. „Wer Kunst liebt, darf Kunst hassen“ steht dort in großen Lettern – was soviel sagen will wie, trau Dich eine eigene Meinung zu haben und sie laut zu vertreten.
Die Kunsthistorikerin & Autorin Nicole Zepter beschreibt hier ein Tabu der Kunstszene, das letztendlich auch noch in einer besonderen Art der Expertenhörigkeit gipfelt: Die verbale Ablehnung von Kunst.
Die Koryphäen des Kunstmarkts – diejenigen die den Wert von Kunst bestimmen, ihn nicht selten durch geschickte Marketing-Strategien manipulieren – profitieren dabei von unserer Gier nach gesellschaftlicher Anerkennung und der Angst alleine für unsere Meinung einstehen zu müssen. Niemand möchte sich die Blöße geben, Kunst nicht als diese erkannt zu haben. Diese Rückgratlosigkeit für unsere eigene Überzeugung einstehen zu können, sehe ich persönlich als eine der größten Schwächen unseres modernen Medien-Zeitalters.
„Wer Kunst nicht versteht, setzt sich dem Verdacht aus, doof zu sein.“
Nicole Zepter
Vom ehrlichen Menschenverstand will sich in diesen Kreisen doch niemand das Geschäft versauen lassen; und so wird einer – der sich traut den Mund aufzumachen, um seinen Widerwillen zu verkünden – schnell mal zum „unrühmlichen Kunstproleten“ degradiert.
Inzwischen ist es auch kein Geheimnis mehr, dass Kunstkritiker und Kunstexperten gleichzeitig Kuratoren und Kunsthändler sind! Sie haben hierdurch die Möglichkeit Kunst zu protegieren, an derer sie selbst ein finanzielles Interesse vertreten.
Kunst ist halt auch nur ein Geschäft, wie jedes andere.
Bestes Beispiel hierfür ist die einflussreiche Kuratorin und inzwischen ehemalige Direktorin des Amsterdamer Stedelijk-Museums, welche nach der Aufdeckung von skandalösen Machtverhältnissen des Kunstbetriebs, ihren Posten im Oktober 2017 überraschend räumen musste. Ich teilte den exzellent recherchierten Artikel der ZEIT ONLINE dazu auf meiner Facebook-Seite und war mehr als überrascht, dass dieser keinen größeren Aufschrei oder Interesse hervorrief. Dieses Exempel ging relativ leise unter und war doch so bezeichnend für die Verhältnisse in der Branche. Ich empfehle Euch auch noch ein paar Monate später diesen Artikel zu lesen *klick, um die richtigen Verhältnisse im Blick zu behalten.
Nicole Zepter geht in ihrem intelligent geschriebenen Buch KUNST HASSEN auch der guten Frage nach, was wäre, wenn wir nicht mehr andächtig, mit gedeckter Stimme durch Museumsräume liefen – als wären wir Besucher einer Leichenhalle – sondern die darin gezeigte Kunst, die uns so manches Mal vorkommt, als würden die Kuratoren damit nur unsere Intelligenz verhöhnen, mit einem lauten Lachen quittieren?
Das ganze Schauspiel gleicht doch in Wahrheit nicht selten einer besonders perfiden Art der Götzenanbetung, die die Autorin Nicole Zepter mit ihrem Aufruf „Kunst zu hassen“ in den Allerwertesten treten möchte!
Sie ruft uns in ihrem Buch auf, eine eigene Haltung dem Gesehenen gegenüber zu vertreten und sich den einfachen Satz: Was für ein Schwachsinn! endlich wieder laut aussprechen zu trauen, wenn man sich ihn denkt. Und das den Lobpreisungen der Kuratoren und Kunstkennern zum Trotz!
Anhand verschiedener konkreter, liebevoll beschriebener Ausstellungsbeispiele aus Deutschland’s renommiertesten Kunsttempeln untermauert sie in diesem Buch ihre These.
Ein weiteres Phänomen, das die Autorin unter die Lupe nimmt, ist der Eventcharakter von Kunst, der immer absurdere Formen anzunehmen scheint. Da champieren Besucher vor Öffnung der angesagtesten Ausstellungen vor Museen, wie Groupies vor einem Metalkonzert.
Ich selbst frage mich des Öfteren, beim Besuch so einiger Events unter dem Deckmäntelchen der Kunst, wo denn das Interesse an Besagter überhaupt steckt; hat man das Gefühl, den hippen Menschenmassen geht es an diesen Abenden ums reine Sehen und Gesehen werden. Die Kunst selbst ist dabei nur sekundär, wenn nicht gar peripher.
In München bringt das einigen der bekanntesten Kunsttempeln der Stadt an diesen Abenden Rekordzahlen an gierigem Publikum in die heiligen Hallen. Für Kunst interessiert sich dort aber augenscheinlich niemand so wirklich. Kunst verkommt scheinbar zur hübschen Deko am Rande der Massenveranstaltung mit DJ, Who is Who, Bussi Bussi & Prossecco (oder was auch immer gerade angesagt ist bei den coolen Partypeople der Stadt).
Auch nett. Aber bringt’s der Kunst & den Künstlern was?
Hohe Reichweite, ist genau wie bei Webseiten, kein Garant für Hochwertigkeit oder Niveau. Dem Streuverlust fällt dabei so Einiges zum Opfer; so auch bei den besagten Anlässen.