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Claudine: Du erinnerst mich in Deinem Aussehen an Frida Kahlo. Wie sie, kommst Du auch aus Südamerika. Hast Du selbst einen Bezug zu Frida Kahlo? Ist es für Dich ein Kompliment, mit ihr verglichen zu werden oder hörst Du das nicht so gerne?
Flaca: Seit ich mich vor ca. acht Jahren durch meine Ausstellungen in der Öffentlichkeit präsentiere, werde ich tatsächlich sehr oft auf meine Ähnlichkeit mit Frida Kahlo angesprochen. Natürlich komme ich aus Südamerika, aber sehr lange Zeit meines Lebens habe ich mich sehr europäisch gekleidet, bis ich vor zehn Jahren wieder in meiner Heimat Venezuela war und mich komplett veränderte. Es erforderte bei mir eine gewisse Reife, um zu meinen Latino-Wurzeln zurückzukommen und diese auszuleben.
Die Frauen sind bei uns sehr zurecht gemacht, sehr bunt – nach deutschen Vorstellungen vielleicht sogar ein wenig „aufgetakelt“. Vor einigen Jahren habe ich dann angefangen, mein europäisches Aussehen gegen den Latino-Look zu tauschen; mich mit Blumen im Haar zu verzieren, bunte Kleidung und handgemachten südamerikanischen Schmuck zu tragen. Ich bin vom Aussehen aber mal ganz abgesehen ein wirklich großer Fan der Künstlerin. Ich bewundere ihre Kunst und ihr politisches Engagement, mit dem sie sich als Person der Öffentlichkeit zu ihrer Zeit einen Namen machte und sich mit ihrer Kunst für die Rechte der Frauen einsetzte. Ihre Kunst ist nicht nur sehr schön anzusehen, sie trägt auch sehr viel politische Botschaft in sich. Und das ist genau das, was ja auch ich mit meiner künstlerischen Arbeit anstrebe und erreichen möchte. Sie inspiriert mich allerdings in vieler Weise; zum Beispiel im Umgang mit der Einarbeitung von Natur in ihre Bildmotive – Blumen, Tiere & Insekten schmücken ihre Werke. Das Moderne mit dem Ursprünglichen zu verbinden, ist auch das, was mich fasziniert und inspiriert.
Ich spiele in meiner Kunst ja schon mit plakativen Stilmitteln und so übernehmen Blüten und Tiere auch in meinen Bildern eine wichtige Rolle. Ich stamme aus einer sehr naturverbundenen Familie. Wir hatten große Häuser – wie in Südamerika üblich –, bei denen auch der Garten eine sehr wichtige Rolle spielt. Tiere gab es bei uns Zuhause immer. Ich bin mit Hunden, Katzen und Papageien aufgewachsen und habe dadurch eine unheimliche Verbundenheit zu Tieren entwickelt. Ich fühle mich damit also in meiner Ähnlichkeit mit der südamerikanischen Ikone Frida Kahlo absolut im Reinen.
Du stehst für Emanzipation und Frauenrechte. Dieses Thema zieht sich wie ein roter Faden durch Deine Werke. Dies hat Dich unter anderem zu Deiner Serie Girls with Guns (Auswahl meiner Lieblingsmotive der Serie siehe oben) inspiriert. Sind die Revolver für Dich hier nur ein Symbol oder hast Du dazu noch einen anderen Bezug?
Ja, natürlich stehen die Waffen hier symbolisch. In der Pop Art befasst man sich sehr viel mit Symbolik. Die Pistolen in den Motiven stehen dafür, dass eine emanzipierte Frau auch ihre (weiblichen) Waffen einsetzt. Viele erwarten von einer emanzipierten Frau, dass sie nicht schön sein darf im Hinblick auf ihre körperlichen Reize. Als emanzipierte Frau durfte man diese in den Augen vieler bekannter Frauenrechtlerinnen nicht einsetzen. Ikonen wie Brigitte Bardot oder Jane Fonda verkörpern Frauen, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen, sich nichts gefallen lassen und nicht von Männern rumkommandieren lassen. Sie nutzen ihre weiblichen „Waffen“ zu ihrem Vorteil. Aus diesem Grund finden sie sich in meinen Bildern der Serie Girls with Guns wieder.
Da stellt sich für mich wieder einmal folgende Frage: Ist die Darstellung und das Leben von Frauen, die erotische Ausstrahlung besitzen, auf das Sexuelle reduziert? Zumindest meinen das viele Frauen, die sich für Frauenrechte einsetzen. Es besteht irgendwie der Glaube, Frauen, die sich im Leben behaupten, dürften nicht sexy sein …
Jane Fonda setzt sich bis heute stark für Frauenrechte ein und war und ist eine der attraktivsten, schönsten Frauen des letzten Jahrhunderts. Sie legte immer Wert auf ein weibliches Äußeres und war in Sexiness ihrer Zeit oft deutlich voraus (siehe Barbarella *klick). Sie hat ihre Bekanntheit – die ursprünglich aus ihrem sexy Aussehen resultierte – zeitlebens auch genutzt, um sich für Frauenrechte stark zu machen.
Ist „Frauenrechtlerin“ oder „Emanze“ somit ein Schimpfwort oder ein Kompliment in Deinen Augen?
Nein, kein Schimpfwort. Ich bin stolze Vertreterin für die Rechte der Frau. In Südamerika ist es leider heute noch so, dass die Männer, wenn sie keinen Bock mehr auf die Frau haben, sie verlassen und nie wieder einen Anlass für sich sehen, für ihre eigene Familie finanziell und emotional aufzukommen. Die Frau ist dann komplett auf sich allein gestellt. Ich habe das miterlebt und setze mich deshalb für Rechte ein, die in Europa bereits als vollkommen normal gelten. Ich selbst genieße das „Frau“ sein, mich mit Mode, Schuhen, Schminke und schönen Dingen zu umgeben und lebe mit meinem Mann eine gleichberechtigte, liebe- und verständnisvolle Partnerschaft.
Ein Motiv Deiner Bilder sind klassische Fetisch-Motive wie z. B. Bondage (siehe eines der Motive oben). Wie bringst Du diese Themen mit Deiner Botschaft im Einsatz für die Gleichberechtigung der Frau in Einklang? Ist es für Dich kein Widerspruch in sich, wenn sich eine starke Frau nackt fesseln lässt? Viele würden dies als etwas Degradierendes empfinden.
Ich bin persönlich in dieser Szene nicht aktiv, habe aber dort eine nette kleine Gemeinde, die meine Fans sind. Ich habe diese Bondage-Serie angefangen, weil ich eine große Japan-Liebhaberin bin – inklusive der Faszination für die Kleidung und Umgangsformen – diese Benimmregeln der Japaner sind für mich einfach unglaublich. In der japanischen Kunst gibt es das Bondage- und Domina-Thema, welches bei Künstlern wie ARAKI *klick zu finden ist. Ich hatte selbst keine Modelle aus der Domina-Szene und so habe ich angefangen, mich darüber zu informieren. Und es ist tatsächlich so, dass diese ihre Triebe dabei voll und ganz selbstbestimmt ausleben. Ich empfinde diese Frauen als offen, befreit und sehr angenehm. Eine emanzipierte Frau hat für mich und in dieser Szene das Recht, eine Sexualität zu leben, ohne dafür verurteilt zu werden.
Ich habe mich seitdem viel damit beschäftigt und finde die lange Tradition der Erotik in Japan faszinierend und habe das letztendlich auch benutzt um mich auszudrücken. Bondage ist für mich ebenfalls ein Symbol für die Stärke der Frau, wie schon bei der Darstellung der Waffen bei der Serie Girls with Guns genutzt. Momentan habe ich zwar nicht den Plan, diese Serie weiterzumachen, aber sie ist auch nicht abgeschlossen. Wenn die Inspiration mich packt, mache ich jederzeit wieder ein Bild zu diesem Thema.
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Es gibt nur wenige Motive mit Männern. Wer sind die von Dir auserwählten?
Auf meinen Girls with Guns gibt es zwei Männer, die gekleidet sind wie Frauen. Im wahren Leben sind die beiden sehr gut aussehend. Einen davon kenne ich persönlich von Partys. Er ist eine Drag-Queen. Als er mich auf einer meiner Ausstellungen als Mann besuchte, dachte ich: „Wow, wie männlich, Mama mia.“
Der andere Mann (im Hintergrund des Aufmacher-Bildes zu sehen), ist ein Designer aus Rom. Er sieht einfach nur wahnsinnig sexy aus. Ich bin nicht abgeneigt, Männer zu portraitieren. Wenn mir einer besonders gut gefällt, frage ich ihn schon mal, ob er nicht Lust hat, auf einem meiner Bilder mitzuwirken. Aber irgendwie ergibt sich das nicht so oft wie bei Frauen.
Was sind Deine Pläne als Künstlerin?
Ich setze mich vermehrt für Künstler mit lateinamerikanischen Wurzeln ein. Es gibt hier eine unheimlich große Gemeinde von Künstlern aus Südamerika, die in Deutschland leben und arbeiten. Meine Idee ist es, damit anzufangen, diese Leute zu vernetzen. Es sind z. B. sieben verschiedene Künstler aus Brasilien, Peru, Chile, Kolumbien, mit welchen ich mich am 26.5.2019 in einer Gruppenausstellung in Köln präsentierte.
Im Anschluß daran mache ich erstmal eine künstlerische Pause, was Ausstellungen betrifft. Ich brauche für die Herstellung meiner Bilder viel Zeit. Es ist ein langer Arbeitsprozess, bis sie fertig sind. Wenn ich aktiv an Ausstellungen arbeite, habe ich dafür keine Zeit und Muse. Deshalb brauche ich immer eine gewisse Zeit für den Entwicklungsprozess und diese nehme ich mir jetzt bis ca. Mitte September 2019.
Ende September, vom 27.9. bis 11.10.19, habe ich dann meine große Einzelausstellung in Köln im Kulturbunker *klick. Dieser hat sich in den letzten drei Jahren kulturell extrem entwickelt. Es gibt dort tolle Ausstellungen & Konzerte. Letztes Jahr hatte ich dort eine Gruppenausstellung, bei der der Kunstverein mir eine Einzelausstellung anbot. Nachdem aber der Bunker riesig ist, muss ich noch viele neue Exponate machen. Ich versuche aber immer, Neues und Altes zu mischen. Sonst fragen die Leute nach bestimmten Bildern von früher, die sie gerne im Original sehen wollten. Z. B. das gelbe Bild mit den Bienen, das im Mai 2019 in München auf der ARTMUC zu sehen war, werden die Leute sehr vermissen. Sie sagen so oft, dass sie sich das Bild mal im Original anschauen möchten. Und jetzt ist es nicht mehr da. Ausverkauft!
Dann, Ende Oktober, komme ich vom 17. bis 20.10.19 wieder nach München zur Herbst-ARTMUC *klick. Im November sieht man mich vom 23. bis 24.11.19 in der HAL ART *klick in Halle. Ich überlege noch eine Ausstellung im Dezember in Düsseldorf zu machen, aber das wird sich erst im Sommer zeigen, ob das machbar ist. Und dann ist das Jahr auch schon wieder rum.
Was wünschst Du Dir für Deine Zukunft?
Für mich ist es wichtig, meine Botschaft zu verbreiten. Ich möchte bei den Menschen, die meine Bilder sehen, etwas bewegen. Ich möchte nicht, dass sie denken: „Oh geil, halbnackte Frau.“ Sie sollen dahinter blicken. Beginnen zu überlegen, was das Motiv ihnen zeigen möchte.
Wie bei Musikern, ist es auch bei mir in der Kunst; ich möchte diese Botschaft überall, wo ich die Möglichkeit habe, sie zu verbreiten, teilen. Ich habe immer eine zwei Jahres-Planung, in der ich mir Sachen vornehme. Ich freue mich, wenn es mit dieser Einzelausstellung im Bunker klappt, weil ich dort alles zeigen kann. Zum Beispiel auch die Bondage-Bilder. Es liegt mir am Herzen zu zeigen, was meine Kunst ausmacht.
Es waren so viele Besucher im Mai in München, die hinterfragt haben, was ich damit aussagen möchte, und genau das ist es, was ich möchte. Dass meine Kunst und meine Botschaft dahinter erkannt werden; sie übt Kritik an der Gesellschaft, der Umweltzerstörung oder der Diskriminierung von bestimmten Gruppen. Diese Themen sind mir persönlich sehr wichtig.
Mein persönliches Fazit: Flaca Goudet ist eine unheimlich tolle Frau, die voll und ganz zu dem steht, was sie ist und tut; südamerikanisch, temperamentvoll, leidenschaftlich, emanzipiert – und das alles in wirklich bester Weise!
Hier kommt Ihr auf Flacas Website *klick.
Danke Dir, liebe Flaca, für dieses bezaubernd-erfrischende Interview (Mai 2019).