Reiner Heidorn: Mein Ansinnen war eigentlich nicht, berühmt zu werden, letztendlich interessiert mich bei neuen Arbeiten, die ich grundsätzlich in Serien erstelle, die sichtbare Qualität einzelner Bilder. Basierend auf den gelungenen Ergebnissen arbeite ich an der Technik, an dem Mischverhältnis der Ölfarben und Leinöl/Terpentin zur Leinwand und bin somit immer auf der Suche nach dem „guten Bild“. Die Monochrome ohne Figuration fordern vom Schaffenden ein besonderes graphisches Verständnis und vom Betrachter eine gewisse visuelle Bildung. In den letzten 25 Jahren habe ich bei keinem Zyklus an die Marktwirtschaftlichkeit der Werke gedacht, auch die Manga-Figuren setze ich dann in meine Bilderwelten, weil es mir einfach gefällt und gelingt.
Reiner Heidorn: Als meine Tochter Selma sieben/acht Jahre alt war, begann ich Zeichnungen von ihr in einem weissen Hemdchen immer wieder auf den Bildträger zu platzieren. Sie war ein Fan von Pokemons, sammelte Karten und wünschte sich einzelne Figuren als Plüschtier. Mit der Zeit veränderte sich diese Mädchenfigur zu einem Pokemon-girl mit Ohren und Schwanz. Viele Pokemon sehen aus wie Rehe, Füchse oder Katzen, diese Figuration griff ich auf und sublimierte sie ebenfalls als Bildelement. Natürlich bin ich auch ein Tierfreund. Meine Manga-Mädchen und Tierfiguren sind für mich Synonyme für das verständnislose, manchmal auch hilflose Erleben von den dunklen Seiten unserer Konsumgesellschaft.
Reiner Heidorn: Das tragende Thema der etwas verloren wirkenden Mädchenfiguren oder den Köpfen ist tatsächlich der gesunde Menschenverstand von jungen Menschen, die alle keine Massentierhaltung, Kriege, Selbstmordattentate oder Messerattacken in Zügen wollen – und dennoch täglich damit in den Medien konfrontiert werden. Ich bin das Gegenteil von religiös, „Devil“ beschreibt hier den Suggestivmarkt unserer Gesellschaft, der vorgaukelt, Neuwägen, All-inclusive-Reisen, Ipads und Markenkleidung sei völlig normal oder schlimmer noch, wichtig. Der schwimmende Wal ist eine Art Hoffnung auf Veränderung.
Reiner Heidorn: Da ich mich seit Beginn meiner künstlerischen Aktivität (früher mit Kunstbänden, heute Internet) mit Kunstgeschichte und Strömungen auf der gesamten Welt auseinandergesetzt habe, fühle ich mich eher wie jemand, der sein Lager zufällig hier aufgeschlagen hat, da regional auch einfach keine realistische Szene für zeigenössische Malerei existiert, trotz der Hundertschaften von Hobbykünstlern und Foren. Dennoch habe ich mich in meiner Entwicklung für deutschen Expressionismus entschieden, in einer Auffassung von moderner Landschaftsmalerei aber auch viel asiatische Elemente damit verbunden. Ich liebe unsere Gegend sehr im November und bei schlechtem Wetter, ich mag die gefrorenen Äcker, die dunklen Waldshilhouetten, graue Wolken und ockerfarbenes Schilf, nasses Gras, Strassenränder, Kiesgruben, schwarze Baumrinden, Erde. Wegen der angenehmen Wohnqualität für meine Familie und mich, habe ich keine Ambitionen, auszuwandern, strebe aber natürlich für internationale Ausstellungen weltweit.
Reiner Heidorn: Nach einem privaten, höchst intensiven Selbststudium von Kunstgeschichte haben mich letztendlich Zeitgeist und bildnerische Umsetzung im Expressionismus am meisten beeindruckt. Im Buchheim Museum *klick gibt es ja Dix, Ernst Ludwig Kirchner, Mueller, allerdings galt mein Interesse auch sehr dem Werk von Caspar David Friedrich. Wirklich beeinflusst haben mich Martin Kippenberger, Dieter Roth, Hans Hartung. Und die asiatische Kunstwelt.
Reiner Heidorn: Tatsächlich bin ich selbst überhaupt nicht introvertiert, sondern vor allem an alltäglicher Satire interessiert. Mir ist bewusst, dass mein Gestaltungspotential gewisse manische Züge hat; so lange ich denken kann, bin ich in der Lage zu beliebigen Themen beliebig viele Ideen auszuspucken, man nennt das „vermehrten Assoziationsfluss“ – Inspiration ist für mich irrelevant, vielmehr wähle ich aus den immer gegenwärtigen Einflüssen und Einfällen einfach die für mich persönlich am sinnvollsten Visualisierungen aus und setze sie in die Realität um. Vorrangig handelt es sich dann meistens um expressionistische Landschaftsempfindungen. So viele virtuose Maler erschaffen beeindruckende Bildräume, mit Horizonten, mit mehr oder minder oder absoulut realistischen Bäumen, Ästen, Blättern, Gräsern, mit spiegelnden Teichen, Wolken und Lichtstrahlen – ich versuche diese Landschaften zweidimensional als psychologische Naturfläche aber dennoch mit Tiefe ohne Bäume und Gräser abzuliefern.
Reiner Heidorn: Während der letzten zwanzig Jahre ist es mir in Intervallen gelungen, schöne Ausstellungen oder Ausstellungsbeteiligungen zu realisieren, dies wurde mit der unaufhörlichen Zunahme von Amateurkünstlern und Vereinigungen immer schwieriger, auch das gängige Auswahlverfahren von Galeristen ist bis heute höchst unerquicklich; niemand hat Geld, alle wollen welches, keiner kauft Bilder in Galerien, ausser es handelt sich um „Justin-Bieber-Kunst“ mit allgemein rumgereichten glanzvollen Namen des Kunstbetriebs. So kontaktiere ich für einige Zeit niemanden mehr mit Ausstellungsanfragen, sondern präsentierte meine Bilder lieber in Facebook oder anderswo im Internet. Mit den Jahren erwuchs daraus ein Zutritt zu einer seriösen Gemeinschaft von Künstlern, Kuratoren, Galeristen und Journalisten, die mich letztendlich zu den interessanten Kontakten geführt hat. Ich hatte dadurch die Möglichkeit in Brasilien/Recife in einer Kulturvilla auszustellen, meine letzte Ausstellung war in Atlanta, anschliessend wieder in München. Zur Zeit arbeite ich an neuen Zyklen, wobei ich dieselbe Bildidee sowohl mit als auch ohne Figuration wiederhole. Im Gespräch sind Ausstellungen in Bukarest und Mexico City.
Reiner Heidorn: Es kursieren vor allem englischsprachige Artikel zum Thema Kunstmarkt, die oft beschreiben, dass das Modell Galerie-Kunstverkauf am Aussterben ist. In seiner Galerie zu sitzen, wortkarg in den Laptop zu glotzen und darauf zu hoffen, Leute kommen mit dicken Brieftaschen rein und kaufen, ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Die Amerikaner machen aus einer Vernissage eine Art Event und fahren direkt nach der Eröffnung in den darauffolgenden Tagen die Bilder mit einem Truck zu den reichen Clients, um ihnen für einen gewissen Zeitraum Bilder in ihre Wohnungen zu hängen, die dann bei Bedarf abgelöst werden. Inzwischen ist es bald soweit, dass eine anständige Präsentation von Dritten im Net (dein Blog, Kunstkritiken, Artikel in verschiedenen Magazinen) für die Etablierung eines gewissen Marktwerts gleichzusetzen ist mit einer Soloshow in einer Berliner Galerie. Zu den Kunden von Bill Lowe gehört auch Halle Berry und er hat Bilder von mir in ihr Haus geliefert, deswegen wünschte ich mir ein Selfie von ihr vor einem meiner Bilder – bis mir klar geworden ist, dass die Superreichen in den USA ihre Wohnungen gar nicht selbst einrichten, das erledigen Interior-Designer für sie.
Reiner Heidorn: Ich denke nicht, dass es eine pauschale Definition von Erfolg und Kunstmarkt geben kann, es spielen immer sehr viele verschiedene Faktoren zusammen, von denen man allerdings, wenn man sich geschickt verhält, einige durchaus zu seinem Vorteil nutzen und beeinflussen kann. Dieses Phänomen wurde von den Medien erwähnt, letztendlich war ich „immmer da“, ich hatte die letzten zwanzig Jahre immer wieder Sammler und Unterstützer, die mir die Bilder zu guten Preisen abgenommen haben. Seit USA allerdings hat sich die Situation natürlich extrem verbessert und ich habe es glücklicherweise nicht wirklich nötig, neue Aktivitäten und Klienten für mich zu gewinnen. Momentan habe ich mich mit reichlich Material eingedeckt und arbeite wie immer: So lange Bilder malen, bis mal wieder ein gutes dabei ist. Dann noch bessere malen. Über die Präsentation denke ich dann hinterher nach.
Reiner Heidorn: Als freischaffender Maler wie in einem romantischen Heimatfilm mit Atelier und großen Ölbildern gut zu leben, fühlt sich erstmal tatsächlich traumhaft an, wird aber mit der fortschreitenden Etablierung meines wirtschaftlichen Aspekts schnell zu einer neuen Art von Realität, die ich jetzt einfach mal ausprobieren werde. Grundsätzlich steht natürlich die Existenzabsicherung meiner Familie im Vordergrund. Was das künstlerische anbelangt: Obwohl ich eine Halle als Atelier führe, ist sie für die Formate, die ich in Serien schaffen möchte, doch nicht groß genug. Sollte ich also jemals die Kapazitäten für eine wirklich großzügige Studiofläche haben, würde ich gerne noch viel größere Leinwände noch intensiver mit meinen Psycholandschaften bedecken, als bisher. Angedache Zukunftsprojekte wären das Bemalen von Wandflächen im öffentlichen Raum und ein Traum wären Ausstellungen in Korea, Japan oder China.