KLIMT & SHUNGA
Explizit Erotisches aus Wien und Japan
Buchheim Museum, Bernried
19. März – 19. Juni 2016
WERBUNG / unbeauftragt
Diese Ausstellung, im Buchheim Museum in Bernried am Starnberger See, wollte ich um nichts auf der Welt verpassen. Zu selten bietet sich einem die Möglichkeit in dieser Fülle erotische Kunst aus Japan zu betrachten. Als Grafikdesignerin stehe ich ganz besonders auf diese feine, geradezu moderne Art der illustratorischen Darstellung von Erotik aus der Edo-Zeit Japans von 1603 bis 1868.
„Edo“ ist der damalige Name der heutigen Hauptstadt Tokio und beinhaltet die längste Friedenszeit in der japanischen Geschichte – mit mehr als 250 Jahren.
Was ist Shunga?
Übersetzt heißt SHUNGA „Bild des Frühlings“ und meint damit im übertragenden Sinne, das doppeldeutige Erwachen der Natur und der sexuellen Lust in der Darstellung erotischer Gemälde und Grafiken aus dieser Epoche. Man unterscheidet diese in drei Gruppen, welche uns einiges über die Verwendung der Bilder verraten. So waren sie Sexualratgeber & pornographische Vorlage und existierten als eigenständiges Genre, welches Sex als ein privates, menschliches Vergnügen darstellt, dass der Mensch genießen sollte:
MAKURA-E = Kopfkissen-Bilder
NURE-E = schlüpfrige Bilder
UKIYO-E = Bilder, über die man lachen kann
Shunga erblühte in einer Zeit des Friedens & Glücks
Die Machthaber dieser Zeit hatten dem Gemeinwohl zu dienen. Es herrschte der Grundsatz von Menschlichkeit, mit dem sich die Menschen sicher fühlten. Das Miteinander wurde geprägt durch Buddhismus und Konfuzianismus, welchen die Japaner sich durch ihre Abschottung gegen den Rest der Welt während dieser ganzen Epoche aufrecht erhielten. In dieser rechtssicheren, harmonischen, langanhaltenden Phase konnte SHUNGA erblühen.
Viele Japaner hatten zu dieser Zeit ein hohes Bildungsniveau – konnten lesen und schreiben – und so erreichten diese Druckerzeugnisse weite Teile der Bevölkerung, welche die Shungas als erheiternde und stimulierende Lektüre in ihren Alltag integrierten. Die Shungas dienten frisch vermählten Paaren als Lehrbuch und Samurais glaubten – durch mitführen dieser in den Krieg – vor Verletzungen und Tod geschützt zu sein. Ausserdem schätzten die Frauen sie als aktuelle Modejournale, welche die neuesten Trends in der Kimono-Mode oder dem kunstvollen Aufstecken der Haartracht aus den Metropolen in deren (ländliche) Haushalte brachte. Shungas hatten nicht selten eine Auflage von tausend Exemplaren und wurden vielfach nachgedruckt. Sie waren also ein Massenmedium & beliebte Lektüre der damaligen Gesellschaft.*
*Besonders lustig in diesem Zusammenhang fand ich ein Schild im Buchheim Museum an der Eingangstür der Ausstellung, mit dem Hinweis, es sollen nur Menschen eintreten, die sich nicht durch sexuelle Inhalte belästigt fühlen. Welch komische Moral in manchen Köpfen unserer heutigen, fortschrittlichen(?) Gesellschaft vor sich geht – da lobe ich mir die Kultur der Edo-Zeit, die sexuelles Leben als völlig natürlich und genussbringend erachteten und deren Darstellung nicht verschämt hinter vorgehaltener Hand beäugten.
Warum waren die Männer auf den Shungas so gut bestückt?
Weil – und dies kann ich selbst nicht beurteilen – japanische Männer nicht gerade dafür berüchtigt sind, in dieser Hinsicht zu glänzen, hörte ich bei den Besuchern der Ausstellung immer wieder die leise Frage nach diesem anatomischen Wunder. Der japanische SHUNGA-Forscher Monta Hayakawa stellte dazu die interessante These auf, dass das Antlitz des Menschen als das „öffentliche Gesicht“ galt und das menschliche Geschlecht als das „private Gesicht“. Künstlerisch dargestellt sollten beide die selbe Daseins-Berechtigung haben und gleichwertig nebeneinanderstehen.
Shungas waren bei beiden Geschlechtern gleich beliebt, was nicht zuletzt darauf beruht, dass die weibliche Lust neben der männlichen eine gleichberechtigte Rolle übernimmt. Monta Hayakawa fand heraus, dass die Shungas häufig von Frau zu Frau in der Familie weitervererbt wurden.
Gustav Klimt & SHUNGA
Klimt gehört in Europa wohl zu den bekanntesten erotischen Malern seiner Epoche (1862-1918). Wer kennt nicht seine Frauenbildnisse in bunt gemusterten Gewändern und blattgoldener Auflage oder seine Akte, in Form von feinsten Bleistiftzeichnungen in eindeutig erotischer, für damalige Zeit, schon pornographischer Darstellung. Sie zeugen von seiner Faszination für Lust und Weiblichkeit. Um 1900 wurde die westliche Kultur maßgeblich durch die japanische beeinflusst und regte Klimt mit den SHUNGAS zu seinem revolutionär-neuen, skandalträchtigen Genre an. Dies war sozusagen der Grund beide in einer Ausstellung zu zeigen und eine Premiere für die museale Ausstellung von SHUNGA in Deutschland.
Fazit: Diese Ausstellung war für mich ein absolutes Highlight!
Toll zusammengestellt, mit wunderbar geschriebenen Text-Tafeln versehen, die für mich keine meiner Fragen zu diesem Thema offen liesen und die ich wirklich interessiert verschlang.
Ich freue mich sehr, dass diese Ausstellung, wenn auch schon lange beendet, einen bleibenden Eindruck für Euch auf meinem Blog hinterlassen wird.
Wenn Ihr das Buchheim Museum besuchen wollt oder sehen, welche Sonderausstellung aktuell gezeigt wird, *klickt hier!