Ich lernte Bernhard Griessl 2024 beim KreARTiv – Forum für zeitgenössische Kunst und Handwerk auf Schloss Höhenried am Starnberger See kennen. Sofort habe ich mich in seine wundervoll, gedrechselten Holzschalen und deren extrem elegantes Design verliebt. Jedes von ihnen ein echtes Unikat in Form, Farbe und Maserung.
Nun, ein Jahr später, hatte ich das große Vergnügen, mit ihm über seine Arbeit, seinen Werdegang und seine Leidenschaft für Holz und Design zu sprechen sowie sein Label HOLZ-COUTURE.
1 Claudine: Lieber Bernhard, wie hat deine persönliche Reise zu deinem Label HOLZ – COUTURE begonnen?
Gab es ein prägendes Erlebnis oder eine Inspiration, die dich auf diesen Weg geführt hat?
Bernhard Griessl: In unserer Familie gab es schon vor mir Meister des Faches Holz. Ich bin mit diesem unglaublichen Werkstoff aufgewachsen und durfte schon viele Facetten kennenlernen, vom klassischen Möbelbau, Ladenbau, Projektleitung, Innenarchitektur, Standortleiter … bis zur heutigen Facette, dem Nassholzdrechseln.
Seit meiner Ausbildung, in der ich zum ersten Mal drechseln durfte, begleitet mich der Wunsch zu drechseln, jetzt darf ich es leben.
2 Deine Arbeiten mit Holz zeichnen sich durch eine besondere Verbindung von traditionellem Handwerk und zeitgenössischer Formensprache aus.
Wie würdest du dein Design, deine Arbeiten selbst beschreiben?
In einer Jurybegründung 2022 für den Preis der Salzburger Nachrichten stand über meine Schalen:
„Es gelingt ihm meisterhaft, Holzgefäße von außergewöhnlicher Leichtigkeit herzustellen, die archaisch und zeitlos zugleich sind. Sein Umgang mit dem Material ist zeitgemäß und experimentell zugleich.“
Diese Worte ehren mich sehr & machen mich auch ein wenig stolz. Aber der wirkliche Meister ist das Material, ist die Natur. Sie schafft beim Nassholzdrechseln, bedingt durch den aufwändigen Trocknungsprozess, diese oft fast archaisch anmutenden Formen.






Alle Fotos: © Bernhard Griessl, HOLZ-COUTURE.at – mit freundlicher Genehmigung
3 Welche Rolle spielt das Material Holz für dich?
Gibt es bestimmte Holzarten, mit denen du bevorzugt arbeitest, und warum?
Holz spielt natürlich, neben meiner Familie, eine Hauptrolle in meinem Leben. Ich verwende bei meinen Schalen ausschließlich heimische Hölzer.
Im Moment – das hat sich aber über Jahrzehnte herauskristallisiert – sind meine Lieblinge Eschenholz, Walnussholz & Eichenholz. Im Detail auf die Eigenschaften und die Besonderheiten der einzelnen Hölzer einzugehen, würde den Rahmen sprengen. Gemein ist ihnen allen, dass Wind & Wetter, die Naturgewalten jahrzehntelang auf sie eingewirkt haben.
Besonders macht dann jeden einzelnen Baum der Umstand, wie er aufgewachsen ist: im Verband oder als Solitär, in einer Hanglage oder auf der grünen Wiese, geschützt oder der Witterung ausgesetzt. All das wird beim Nassholzdrechseln sichtbar.
4 Könntest du uns einen Einblick in deinen kreativen Prozess geben – von der ersten Idee bis zum fertigen Design eines HOLZ – COUTURE Stückes?
Ich gehe mit offenen Augen durch die Welt, Formen beschäftigen und faszinieren mich immer schon. Auch der Versuch zu erkennen, warum gerade bestimmte Formen gefallen, fordert mich. Allerdings muss ich sagen, im Moment schau ich mir viel von der Natur ab, im Speziellen die Unterwasserwelt inspiriert mich.
5 Auf deiner Website betonst du die Bedeutung von Nachhaltigkeit und Regionalität.
Wie integrierst du diese Werte in deine Arbeit?
Nachhaltigkeit & Regionalität sind nicht nur in meiner Arbeit wichtige Bestandteile.
Das beginnt natürlich bei den Materialien, ich weiß bei jeder Schale, wo der Baum gewachsen ist, als sanfter Riese auf der „grünen Wiese“ (und damit hart, aber homogen zu verarbeiten) oder im steilem Hang als Lawinenschutz, also als knorriges Bergholz, schwer zu zähmen – nicht nur wegen der oft eingewachsenen Schrotmunition.
Auch bei der Stromversorgung haben wir das unglaubliche Glück, durch einen kleinen Energieversorger bei uns auf dem Berg mit 100% Wasserkraft arbeiten zu können.
6 Gibt es ein Projekt oder ein Design, das für dich eine besondere Bedeutung hat oder eine besondere Herausforderung darstellte?
Nassholzdrechseln als Gesamtes ist immer wieder herausfordernd, da ich als ausgebildeter Tischlermeister das Material, das im wahrsten Sinne des Wortes auf den Bäumen wächst, von einer vollkommen neuen Seite kennenlernen durfte und darf.
Als Nassholzdrechsler arbeite ich häufig nicht nach dem „Lehrbuch“ eines Tischlers, trotzdem hilft mir die Erfahrung, die ich mit Holz habe, oft weiter. Als ich mit dem Drechseln begann, kaufte ich mir einfach die größte Drechselmaschine bei meinem Werkzeughändler und startete. Das viele „Lehrgeld“, das ich in der Anfangszeit bezahlt habe, heizte eine ganze Saison lang unser Haus …

7 Du lebst und arbeitest in Weerberg in Tirol. Inwiefern beeinflusst die alpine Umgebung deine Arbeit?
Wir haben bis vor 12 Jahren in der Stadt Innsbruck gelebt und uns dann entschieden, aufs Land zu ziehen. Für uns war das eine sehr gute Entscheidung.
Ich komme manchmal zwei Wochen nicht in die Stadt, diese Ruhe und Unaufgeregtheit lässt natürlich einen ganz speziellen Fokus auf das Wesentliche zu.
8 Wie siehst du die Rolle des traditionellen Handwerks in der heutigen, zunehmend digitalisierten Welt?
Ich glaube, dass „Begreifbares“ mehr an Bedeutung gewinnt. In unserer schnelllebigen Zeit, die unglaublich spannend, herausfordernd, schnell, toll ist, kann gutes Handwerk und können gute Produkte erden, Sicherheit geben und begreifbar sein, ein haptisches Erlebnis bieten.
9 Welche Projekte oder Ausstellungen planst du in naher Zukunft? Gibt es neue Richtungen oder Materialien, die du erkunden möchtest?
Der Werkstoff Holz fordert mich jeden Tag aufs Neue.
Die intensive Auseinandersetzung mit diesem Werkstoff über Jahrzehnte, der sich keine Form aufzwingen lässt, beflügelt mich, weiter zu forschen und zu experimentieren.
Ich experimentiere leidenschaftlich mit Formen, Oberflächen & Techniken. Ich habe unglaubliches Glück, dass ich das tun kann, was ich liebe.
10 Was möchtest du jungen Menschen mit auf den Weg geben, die sich für traditionelles Kunsthandwerk / Holz-Design interessieren?
Beim Bearbeiten von Holz durfte ich als Ausbildner einige Lehrlinge/Azubis ausbilden.
Oft war es ein steiniger, viel öfter aber ein blumiger Weg. Wir holzbearbeitenden Menschen dürfen Objekte/Produkte herstellen, an denen sich andere erfreuen, das ist ein schöner Gedanke.
Wenn wir das mit Freude und Leidenschaft machen, hilft es auch über steinige Zeiten hinweg, und die blumigen Zeiten werden mehr.
11 Zu guter Letzt:
Wie reagieren Betrachter auf HOLZ – COUTURE?
Gibt es Rückmeldungen oder Erlebnisse, die dir besonders in Erinnerung geblieben sind?
Wir sind viel unterwegs (meine Frau & ich), wir haben sehr viele unglaublich schöne Gespräche mit Menschen, die wir auf unseren Touren kennenlernen.
Eine ganz besondere Begegnung möchte ich hervorheben: Es war 2022 in Weikersheim, im Nordosten von Baden–Württemberg bei der Tauberphilharmonie.
Ein älteres Pärchen, gute 80 Jahre alt, beide in der Mobilität sehr eingeschränkt, mit Stock und Krücken, hatte große Freude an unseren Schalen und wir an diesen wertschätzenden Menschen.
Wir führten ein angeregtes Gespräch über Formen, schöne Dinge und das Leben. Nach einiger Zeit verabschiedeten wir uns und sie gingen, allerdings dauerte es nicht lange, und sie waren wieder zurück und kauften die größte Schale, die wir hatten.
Meine Frau trug die Schale zu ihrem Auto, in dem sie kaum Platz hatte. Seither besteht eine richtige Brieffreundschaft, wir bekommen regelmäßig handgeschriebene Briefe, in denen sie erzählen, wie es ihnen geht und wie sehr sie sich über unsere Schale freuen.
Die Briefe schreiben sie von ihrem Wohnsitz in Deutschland und von ihrem Zweitwohnsitz aus Südfrankreich. Im letzten Brief schrieben sie allerdings, dass es wohl der letzte Brief aus Südfrankreich sein werde, ihre Mobilität lässt es nicht mehr zu. Aber wir hoffen sehr, dass wir sie bei einem unserer Märkte in Deutschland wieder treffen.
Lieber Bernhard, vielen Dank für dieses schöne Interview und dass ich HOLZ – COUTURE bei mir vorstellen darf.
Ich freue mich dich auf irgendeiner Designermesse wiederzutreffen!
Zu sehen ist Bernhard Griessl am 7. / 8. Juni 2025, beim KreARTiv –
Forum für zeitgenössische KUNST und HANDWERK, Schloss Höhenried / Starnberger See.