ar/ge Kunst
& MUSEION
Das Claudine liebt Kunst-Blogteam über
KUNST IN BOZEN
20. Juli 2018, Bozen / Südtirol
Werbung / unbeauftragt *klick

Zu Beginn eine Info zum Autor: Diesen Beitrag hat Boris geschrieben. Unser wohl umtriebigster Kunstliebhaber im Claudine Blogteam, von dem wir sicherlich noch einiges lesen werden; Journalist, Kunstfreund & einer der wissbegierigsten Menschen, die ich kenne.
Liebste Grüße,
Claudine liebt Kunst’s Abstecher nach Südtirol → Bozen
Auf Kurzbesuch in Bozen zwischen Ötzis Mützenkunst, dem so gar nicht argen ar/ge Kunst-Verein mit den illustren Werken der Berliner Slavs and Tatars unter dem kunstvoll-kreativen Titel Kirchgängerbanger und einem must-have Besuchertipp: Dem MUSEION – Bozen’s Museum für moderne und zeitgenössische Kunst
Wer nach Bozen fährt, macht entweder Zwischenstopp auf dem Weg nach Florenz bzw. in die Toskana, will wandern oder die Vielzahl der lokalen Weine genießen. Mea culpa, vergessen wir Ötzi nicht. Ein Besuch in dem übersichtlich und didaktisch eher casual gestalteten Museum lohnt sich übrigens. Schaut Euch einfach mal die feinen Kreuznähte an Ötzis Mütze an, die verdächtig an die Strickteile erinnern, die coole Jungs heute selbst im Hochsommer gerne tragen. Man kommt aus dem Staunen nicht heraus und wie so oft sind es die Details, die faszinieren. Bozen hat neben garantierten Postkartenmotiven, wenn man Berge und Natur fotografiert, eine weitere, unterschätzte Facette: Bozen ist durchaus eine Stadt der Kunst. Die Freie Universität Bozen mit ihrer Fakultät für Design und Künste ist nur ein Hinweis auf die Bedeutung der Kunst für die Stadt – und umgekehrt. Wir haben zwei Hotspots für Euch herausgesucht.
AR/GE KUNST
Möchte man zur Galerie des Kunstvereins ar/ge Kunst, muss man durch die an sich schöne Altstadt und gleichzeitig am besten die typischen Zeichen der Globalisierung ignorieren, die mittlerweile das Bild nahezu jeder City prägen. Vorbei an Footlocker, Mango & Co fällt der Kunstblick schnell auf eine vielversprechende große Fensterfront: ar/ge Kunst. Der Name des 1985 gegründeten Kunstvereins ist eine Abkürzung für „Arbeitsgemeinschaft“. Ziel ist es, „kollektives Arbeiten rund um die Sprachen zeitgenössischer Kunst und ihrer Beziehung mit Disziplinen wie Architektur, Design, Performance, Kino und Verlagswesen zu fördern“, beschreiben die ar/ge Kunst-Gründer. Man fokussiert sich dabei nicht nur auf regionale Kunst und Künstler, auch Werke nationaler und internationaler Kunstarbeiter sind zu sehen.



Slavs and Tatars
Das Berliner Kollektiv hat in Bozen mit Kirchgängerbanger die erste Einzelausstellung in Italien präsentiert. 2006 entstand Slavs and Tatars als „Buchclub“. Es erweitert den Akt des Lesens durch Geschichten aus dem schwer einzuordnendem Gebiet zwischen östlich der ehemaligen Berliner Mauer und westlich der Chinesischen Mauer. www.slavsandtatars.com
Bis 28. Juli sehen wir erstmals in Italien bei ar/ge Kunst *klick unter dem Titel „Kirchgängerbanger“ die Arbeiten des Berliner Kollektivs Slavs and Tatars, die gerne, aber natürlich nicht nur, Gestaltung und Verwendung von Teppichen in wechselnde funktionale Zusammenhänge stellen und sich eigentlich dem Akt des Lebens verschrieben haben – also rein künstlerisch, versteht sich. Anyway. Der … ähm …Teppich-Titel „Hamann from the Hood“ ist zwar für die Füße, stellt jedoch zumindest den Zusammenhang her. Johann Georg Hamann wird im Begleitheft als der deutsche Philosoph der Gegenwartsaufklärung, Amateur-Orientalisten und kryptischen Schriftsteller beschrieben. Interessant! Die Maße sind 300 x 425 cm, also die vom Teppich, nicht vom Philosophen. Es braucht ergo nicht unbedingt einen Pionier in Teppichkunst wie Jan Kath *klick, den wir in Kürze bei Claudine liebt Kunst vorstellen möchten.
„Stilbruch (Noblesse Oblige)“ ist der Titel einer Hintergrundglasmalerei mit Acryl auf Plexiglas, Linoleum, Messing, Holz. Das Unikat wirkt zugegeben auf den ersten Blick eher biblisch motiviert und ikonenhaft austauschbar. Und tatsächlich, in der kryptischen Beschreibung findet der geneigte Leser folgenden Hinweis: „Stilbruch (…) ist eine synkretistische Verbindung, in diesem Fall von Couchtisch und rahlé, dem Ständer für Bücher in der orientalischen Tradition.“ Aha?! Ein Blick bei Freund Google verrät: synkretistisch ist das Adjektiv zu Synkretismus, was die Synthese von Ideen oder Philosophien zu einem neuen System oder Weltbild bezeichnet. Oder einfacher ausgedrückt, die Vermischung verschiedener Religionen, Konfessionen oder philosophischer Anschauungen – Danke Wikipedia, ich hab Dich auch lieb.
Das Werk von Slavs and Tatars *klick soll die zentrale Bedeutung des Buches als Sakralgegenstand und den kollektiven Akt des Lesens selbst beschreiben. Mein lieber Scholli, Formulierungen dieser Art waren der Grund, Claudine liebt Kunst zu gründen. Unser Fazit: zu museal das Ganze, zu intellektuell gewollt die Intention, aber handwerklich ein Sahnestückchen. Grüße an dieser Stelle an alle Kunsthistoriker. So oder so, schaut bei ar/ge Kunst vorbei, der Kunstverein ist sehr sympathisch und beachtenswert.
MUSEION
Kunstliebhaber kommen am Museion nicht vorbei.
Ein Kunstbesuch in Bozen ohne Museion *klick geht nicht. Das Museum für moderne und zeitgenössische Kunst in Bozen beindruckt seit nunmehr zehn Jahren bereits rein äußerlich durch seine futuristisch-wirkungsvolle Architektur. Das Ausstellungsprogramm ist geprägt von seiner internationalen Ausrichtung. Die eigene Positionierung als eines der wichtigsten Museen für Gegenwartskunst in Italien und im Alpenraum ist vollmundig-selbstbewusst, aber keineswegs übertrieben. Über 4.500 Arbeiten können ausgestellt werden, stets nach dem Rotationsprinzip mit einem thematischen Schwerpunkt. Das Museion zeigt Einzelausstellungen u. a. von Carl Andre, VALIE EXPORT, Rosemarie Trockel und Isa Genzken sowie junge Kunst von Monica Bonvicini, Klara Lidèn, Rossella Biscotti und Danh Vo etc..
Zu dem Sammlungsschwerpunkten zählen Kunst und Sprache, die Formensprache der Skulptur, die kritische Betrachtung der Gegenwart und Positionen außereuropäischer Künstlerinnen und Künstler. Noch nicht bewertbar, aber sehr spannend ist die Ausstellung Tutto. Perspektiven italienischer Kunst, die vom 13. Oktober bis 24. März 2019 läuft. Geplant ist ein Dialog zwischen der Sammlung Goetz und der Sammlung Museion. Diese soll „wesentliche Strömungen der italienischen Kunst“ freilegen, deren Anfänge in der Aufbruchszeit nach 1945 liegen, versprechen die Kuratoren. Die Werkauswahl reicht von den Dekonstruktionen der bemalten Leinwand durch Künstler wie Lucio Fontana, Enrico Castellani und Dadamaino bis zur konzeptuellen Fotografie von Luigi Ghirri, und zu Mario Schifano, der die Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Medien in die Malerei integriert. Wir werden berichten und jetzt geht’s erstmal zur besten Eisdiele der Stadt, um voller Genuss die architektonisch-künstlerische Balance zwischen großen Vanille-Baci-Eisbergen und kleinen Waffeln zu entdecken. Und das dann ohne Eisflecken aufzufuttern, ist dann doch auch eine Art Kunst.