
Lost with you
© Alexander Ehrhard, Mixed Media, De-Collage, Acrylmarker, Sprühfarbe auf Holzplatte / 30 x 30 cm (Project: The boundaries are ourselves)
Alexander Ehrhard ist ein Künstler, der Geschichte und Moderne auf einzigartige Weise miteinander verbindet. Hierfür greift er auf Materialien wie alte Bücher, Zeitungen und Papiere zurück, die er mit Street-Art-Techniken wie Stencils, Decollage und Sprühkunst kombiniert.
Sein Konzept T!ME(s) lädt dich ein, über den Umgang der heutigen Gesellschaft mit alten oder generellen Werten nachzudenken und zeigt, dass wahre Schönheit und Bedeutung niemals verloren gehen – solange wir genau hinsehen.
1 !
Claudine: Lieber Alex, Du bist seit über 25 Jahren in der Kunstszene aktiv.
Was hat Dich ursprünglich dazu inspiriert, Künstler zu werden?
Alexander Ehrhard: Künstler zu werden war nie eine Frage oder eine völlig bewusste Entscheidung für mich. Ich bin seit meiner Kindheit und über all die Jahre Stück für Stück mit viel Leidenschaft und Fleiß in diese Rolle hinein gewachsen.
Ich hatte immer das Glück Menschen um mich zu haben, die meine Kreativität förderten und denen meine Arbeiten gefielen, sodass ich immer einen Antrieb hatte weiter zu machen.
Ohne das Gefühl kreativ arbeiten zu dürfen, würde mir wirklich ein entscheidender Lebensinhalt fehlen. So wie andere Menschen ihre „Dinge“ brauchen um sich lebendig und als Ganzes wahrzunehmen, so brauche ich die Kunst. Ob ich wirklich Künstler bin, dürfen mir gerne andere beantworten, ich selbst nenne mich einfach nur leidenschaftlich kreativ.
2 !
Dein Konzept T!ME(s) ist ein faszinierender Ansatz mit Material und Farbe die Vergänglichkeit der Zeit und deren Einfluß auf die Gesellschaft zu dokumentieren.
Wie bist du auf die Idee gekommen?
Wie hast du deinen einzigartigen Stil entwickelt?
Meinen Stil habe ich über die Jahre aus der klassischen Malerei und den Elementen der Streetart entwickelt. Besonders gefiel mir das Arbeiten mit Pasteups, bei denen zuvor gestaltete Arbeiten auf Papier im öffentlichen Raum an Wänden durch bekleben oder anheften platziert werden.
Natürlich sind diese Arbeiten irgendwann durch Abriss und Verwitterung „beschädigt“ worden. Aber gerade diese Beschädigungen und Zeitnarben, die in Mitten einer schnelllebigen und konsumorientierten Gesellschaft entstanden sind, empfand ich als sehr ästhetisch, da sie Widerstandskraft und Verletzlichkeit zugleich ausgedrückt haben. Dies fand ich als Konzept für weitere Arbeiten sehr spannend und ich begann diese „Zeitnarben“ bewusst im Studio durch Experimente nachzuahmen und den Prozess der Alterung eines Bildes durch diverse Behandlungen zu beschleunigen.
Um mit dieser Technik die ersten, für mich stimmigen Resultate zu erzeugen, habe ich ca. 10 Jahre benötigt.
„Um mit dieser Technik die ersten, für mich stimmigen Resultate zu erzeugen, habe ich ca. 10 Jahre benötigt.“

Heart of lioness
© Alexander Ehrhard, Mixed Media, De-Collage, Acrylmarker, Sprühfarbe auf Kartonagen und Leinwand / 60 x 80 cm
3 !
Deine Werke erinnern durch Deine spezielle Technik an alte Gemälde, die durch Zeit und Nachlässigkeit gezeichnet sind. Was genau möchtest du mit dem Konzept T!ME(s) ausdrücken?
Wenn man sich mit Zeit im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Werten (Moralische-, Soziale-, Kulturelle-, etc.) beschäftigt, stellt man sehr schnell fest, dass sich zwar viele Vorstellungen und Werte einer Gesellschaft wiederholen oder sogar bei bestimmten Kulturen kaum verändern, sich aber der Stellenwert dieser Werte für eine Gesellschaft stetig durch technologische, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklungen austauscht.
Oft nehmen wir auch gerade die kulturellen und moralischen Werte und Vorstellungen, die es bereits seit Jahrhunderten gibt, nicht mehr als gewachsene Werte und Ideale wahr, da sich diese über die Zeit in unterschiedlichen neuen Darstellungsformen in in der heutigen Zeit präsentieren und für eine bestimmte Zeit etablieren.
Die Idee von meinem Projekt T!ME(s) ist es zu beleuchten was dies für die Kunst bedeutet.
Frei
© Alexander Ehrhard, Mixed Media, De-Collage , Acrylmarker, Sprühfarbe auf altem Blech

„Ist ein Gemälde eines alten Meisters für eine Gesellschaft heute immer noch Kunst, obwohl wir dieses Werk bereits in allen Medien oft gesehen und unzählige Male benutzt haben?“
Wir besitzen zum Beispiel Tassen, Strümpfe und T-Shirts auf denen die Mona Lisa aufgedruckt wurde. Würdigen wir aber so dem wirklichen Kunstwerk? Nutzen wir es als Dekoration oder wollen wir nur einem Trend folgen? Die Arbeiten alter Meister werden oft dadurch verramscht und durch die möglichen Lizenzfreiheiten millionenfach vervielfältigt.So verlieren diese Arbeiten oft ihre wahre Botschaft und Bedeutung oder werden in einem Kontext gezeigt, der sicher nicht im Sinne des „Erfinders“ war.
Ist uns bewusst, welchen wichtigen Grundstein große Künstler vergangener Zeiten für unser heutiges kulturelles Leben gelegt haben? Was tun wir, um auch die nächsten Generationen dies wissen zu lassen? Wie würden die Bilder, gerade von alten Meistern aussehen, wenn unsere Blicke und Sichtweisen – all das Benutzen für Ausstellungen und Vervielfältigungen für Selfies, Merchandise und Bücher – wirklich Spuren auf den Bildern hinterlassen würden? Sie wären sehr wahrscheinlich beschädigt, verschlissen, vergilbt und gezeichnet von Narben der jeweiligen Zeit und deren Behandlung und mangelnden Wertschätzung.
„Wenn ein Bild eine Seele hätte, die sie dem Betrachter offenbaren könnte, wie würde diese nach all den Behandlungen und durch unser Benutzen aussehen?“
Das Ausarbeiten meiner Motive mit unterschiedlich alten und neuen Techniken wie der klassischen Malerei der modernen Streetart und der De-Collage (Plakatabriss) schien mir der beste Weg zu sein, meinen Bildern für das Konzept das entsprechende Aussehen zu geben, um das „Benutzt und Beschädigt werden“ durch Achtlosigkeit realistisch nachzubilden.
Dabei geht es mir nicht um das Zerstören, sondern um das Sichtbarmachen von „Zeitnarben“ und das Aufzeigen „wie unsere Konsumgeneration inzwischen nachlässig mit Kultur und bedeutender Kunst umgeht“.
4 !
Du erwähnst, dass du gerne alte und neue Techniken kombinierst. Kannst du uns mehr über deinen kreativen Prozess erzählen, ohne vielleicht zu viel zu verraten?
Meine Arbeiten entstehen aus einem Mix von mehreren kreativen Techniken, die von klassischer Malerei über Druckverfahren und Decoupage bis zur japanischen Reparaturtechnik Kintsugi reichen.
Bei Kintsugi setzt man zerbrochene Gegenstände wieder zusammen und anstatt die Bruchkanten zu verdecken, werden diese durch Gold hervorgehoben.
„ Der zuvor beschädigte Gegenstand symbolisiert somit in wunderbarer Weise Heilung und Widerstandskraft. Angelehnt an dieser Philosophie entstehen auch meine Bilder, die gerade durch ihre Narben und Risse eine neue Präsenz und Würde erhalten sollen.“
Die Materialien die ich zum Bildaufbau verwende folgen dem Upcycling-Gedanken, denn ich verwende Materialien, die für andere bereits Müll oder Flohmarktware sind. So staple ich mehrere Lagen Jahrhunderte alte Papiere aus Büchern und Zeitungen sowie seltene Comichefte, um diese dann wieder gezielt und „vorausschauend“ abzutragen. Einzelne Lagen besprühe, bemale oder bedrucke ich mit Farbe, um so das Hauptmotiv herauszuarbeiten.
Leider nimmt dieser Vorgang sehr viel Zeit und Präzision in Anspruch und so verbringe ich oft Wochen und Monate an einer Arbeit, bis sich diese durch lange Trocknungsvorgänge und Vorplanung fertigstellen lässt.
Durch die unterschiedlich transparenten Ebenen, die ich so erzeugen kann, ermögliche ich es dem Betrachter buchstäblich hinter oder in das Bild zu sehen.
Dies ist für viele ein völlig neue Art der Wahrnehmung von Kunst.
„Der Betrachter kann der Arbeit auf den Grund gehen oder in sie hineinsehen, was meinen Konzeptgedanken des Offenbarens der Seele eines Bildes folgt.“

Making of T!ME(s) …
Impressionen aus dem Atelier von
Alexander Ehrhard




5 !
Deine Kunst thematisiert somit auch den schnellen Konsum und die Gleichgültigkeit der modernen Gesellschaft. Wie reagieren die Betrachter auf diese Botschaft?
In den letzten Jahren hat sich die Einstellung zu diesem Thema grundlegend bei den Menschen verändert. Man müsste sehr blind sein, um nicht zu erkennen, dass unser Konsumverhalten nicht unsere Umwelt und unser Leben stark beeinflusst hat.
Durch die bessere Aufklärung über Verschwendung, Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Konsumverhalten durch die unterschiedlichsten Medien sind wir aber besser sensibilisiert worden.
Egal wie die Betrachter meiner Kunst zu diesem Thema stehen, merke ich, dass meine Technik ihnen die Möglichkeit gibt sich neu über dieses Thema Gedanken zu machen und sich zu positionieren.
Ich erlebe sehr viele gute Gespräche, die mir meine Sichtweise und das Konzept bestätigen, dass die Betrachter in der heutigen schnelllebigen Zeit sich keine Zeit mehr nehmen, Kunst würdevoll zu konsumieren und inzwischen von einem Kunstwerk lieber mit dem Smartphone Fotos machen um es später zu Hause anzusehen.
Natürlich muss ich auch mit der Kritik leben, dass meine Arbeiten zerstörerisch sind und zu kritisch mit der Gesellschaft umgehen.
Aber gilt nicht für Künstler die goldene Regel: „Egal welche Emotion du beim Betrachter erzeugst, Du hast dem Betrachter zumindest eine Reaktion auf deine Arbeit abgerungen und somit in ihm etwas bewegt“!?
Pale Icon
© Alexander Ehrhard, Mixed Media, De-Collage , Acrylmarker, Sprühfarbe auf Holzplatte / 30 x 40 cm
6 !
Kannst du ein konkretes Beispiel geben, wie Dein T!ME(s)* Konzept in einem deiner Werke umgesetzt wurde?
„The Pale Icon“ (Die blasse Ikone) ist eines der Werke, in dem sehr viel Soul und Zeitnarben versteckt sind. Das Hauptmotiv zeigt eine Interpretation eines der wohl bekanntesten Werke der Kunstgeschichte: „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ (ca.1665) von Johannes Vermeer.
Die Farben sind so gehalten, dass es scheint als würde das Bild kurz vor dem endgültigen Verblassen stehen. Die Beschädigungen, Risse und der Untergrund beginnen das Werk zu dominieren und die Schönheit der ursprünglichen Arbeit zu zerstören. Dennoch scheint die Vergänglichkeit und somit die Zeit in dem Moment inne zu halten um dem Betrachter eine letzte Möglichkeit zu geben, die Schönheit und Würde des dargestellten Mädchens ein letztes Mal genießen zu können, bis die Narben und die Zerstörung sie restlich auslöschen.
Aufgebaut ist die Arbeit auf unterschiedlichen Lagen von sehr alten Papieren, handgeschriebenen Briefen sowie Comic-, Tapetenresten und Briefmarken.
Das Bild sollte aus Dingen aufgebaut werden, die bereits selbst ihre Würde durch die Benutzung, Ablauf ihrer Bestimmung und Beschädigung ihre Relevanz verloren haben – für mich aber noch Stolz und Schönheit genug ausgestrahlt haben, um ihnen wieder Sinn zu geben. Die transparenten Ebenen dieser Arbeit ermöglichen dem Betrachter sich mit all diesen „Zeitkapseln“ zu beschäftigen und sich so durch die Vergänglichkeit von Schönheit und Zeit zu bewegen.
An vielen meiner Arbeiten wie dieser, verweilen die Betrachter oft lange Zeit oder kommen mehrfach zurück, um doch noch alles gesehen zu haben und ihre eigenen Geschichte darin zu finden. Diesen Effekt liebe ich sehr an meiner Arbeit und spornt mich an diese Konzepte weiter zu verfolgen.
Auch die neue Werkreihe „The boundaries are ourselves“ geht diesen Konzeptweg weiter und möchte das Thema der inneren Zwänge und selbstauferlegten Grenzen und Barrieren des Menschen beleuchten und ihm Mut geben, sich selbst zu finden und seinen Weg zu gehen, seine gegebene Lebenszeit und Potentiale sinnvoll zu nutzen.
Hier soll nicht das Verblassen dominieren, sondern die Hauptmotive sollen den Anschein haben als würden sie aus dem Hintergrund lösen wollen und somit thematisch von ihren Barrieren befreien und sind deswegen auch bildnerisch stärker ausgeprägt als bei anderen Werkreihen.
Ich freue mich bereits jetzt die Arbeiten in ihrem gesamten Umfang auszustellen und die Meinungen der Betrachter zu hören, da ich bereits jetzt sehr viele tolle Rückmeldungen bekomme.
The boundaries are ourselves
© Alexander Ehrhard, Mixed Media, De-Collage , Acrylmarker, Sprühfarbe auf altem Buchcover / 30 x 30 cm
7 !
Warum ist es dir so wichtig, den Fokus vollständig auf deine Kunst zu legen und keine Fotos von dir selbst zu zeigen?
„Für mich steht die Kunst immer im Mittelpunkt, nicht der Künstler selbst.“
Ich arbeite nicht anonym sondern nur zurückgezogen und sehr leise.
Indem ich im Hintergrund bleibe, lasse ich der Kunst die Freiheit, ihre eigene Geschichte zu erzählen und kann selbst ein kritischer Betrachter bleiben. Meine Werke sollen für sich selbst sprechen können und den Betrachter herausfordern, sich auf die Themen und Emotionen einzulassen, die diese Arbeiten erzeugen.
Der Fokus auf meine Kunst und nicht auf mich als Person zu lenken, ist eine bewusste Entscheidung, die es mir ermöglicht, unabhängiger und kompromissloser zu arbeiten.
Die Arbeit kann somit für sich selbst stehen und wird nicht Teil einer Marke.
Die Entwicklung, dass ein Künstler in den sozialen Medien komplett hinter seiner Kunst verschwinden kann, empfinde ich als sehr erleichternd für meine Arbeit.
Natürlich genieße ich aber jeden Augenblick, wenn meine Arbeiten bei einer Ausstellung betrachtet und beurteilt werden, ich spreche gerne mit den Anwesenden über meine Kunst und lasse mich auf leidenschaftliche Diskussionen ein. Kurz gesagt, ich liebe es meine Kunst zu zeigen und darüber zu reden, aber ich selbst muss als Erzeuger nicht unbedingt auf das Podium gehoben werden, auch wenn die Nachfragen nach meinen Arbeiten in den letzten zwei Jahren sehr stark gestiegen sind.
In meiner Fotoreihe „The Working Hand Diary“ (2015) habe ich versucht 1 Jahr lang Fotos von mir selbst und den fertigen Werken komplett zu vermeiden und habe statt dessen jeden Tag ein Foto von meiner Hand gemacht und erforscht, welche Spuren der Kreativprozess am jeweiligen Tag am wichtigsten Werkzeug des Künstlers, seiner Hand, hinterlässt.
Das Ergebnis habe ich als kleines Buch zusammengestellt und musste an der Resonanz der Betrachter feststellen, dass nicht immer das Endresultat oder die Selbstdarstellung der Person als Künstler entscheidend ist, sondern der Betrachter will auch fühlen mit welcher Leidenschaft und welcher Arbeitsintensität das Werk entstanden ist.
Stop Talking
© Alexander Ehrhard, Start Making / Mixed Media,
De-Collage, Acrylmarker,Sprühfarbe auf Holzplatte / 30 x 30 cm
Rebel Soul
© Alexander Ehrhard, Mixed Media, De-Collage ,Acrylmarker,Sprühfarbe auf Malkarton / 30 x 40 cm (Project: The boundaries are ourselves)
8 !
Gibt es ein Werk oder einen Moment in deiner Karriere, auf den du besonders stolz bist? Oder einen Moment in dem du alles hinschmeißen wolltest?
„Ich bin nicht über eine bestimmte Situation oder ein Werk meiner Karriere besonders stolz, da ich mich nicht über die Kunst stellen will. Und ich war auch noch nie zutiefst am Boden zerstört, um aufzuhören, dafür liebe ich die Kunst zu sehr …“
Aber:
Stolz macht mich jedes Mal der Moment, wenn ich als Künstler der Meinung bin, man hat ein Werk vollendet und man kann nichts mehr daran verbessern, man glaubt und fühlt alles ist gesagt und es ist exakt genau so, wie ich mir das Werk vorgestellt habe… Dieser Moment ist einzigartig, wunderbar und lässt einem den Schweiß und die Mühen vergessen, den man für die Arbeit aufgebracht hat. Für diesen Moment leben Künstler und lieben ihre Arbeit.
Leider hält dieser Glücksmoment des Zufriedenseins nur sehr kurze Zeit an, bis ich mich vor dem selben Werk wieder finde für das ich mich eben noch überschwänglich selbst gelobt habe und ich frage mich ernsthaft, ob ich es nicht besser kann und ob ich, wenn ich es nicht besser hinbekomme, besser meine ganze Arbeit hinschmeißen sollte.
Also beginne ich mit einem neuen Werk, durchlebe geniale Höhen und extreme Tiefen (bei Bedarf im Minutentakt), um mich zum Schluß wieder kurz in dem Moment des seligen Schwebens zu befinden, der mich aber erneut nach kurzer Zeit hart zu Boden wirft. Es fühlt sich an als würde man auf Schienen das Unendlichkeitssymbol befahren, man läuft permanent rund in zwei Schleifen.
9 !
Du sprichst in deinem Konzept über den Wert von Geschichte und den Einfluss alter Meister. Welche Künstler oder Kunstwerke haben dich besonders inspiriert?
„Die großen Vier“ sind für mich Caravaggio, Da Vinci, Giusepe Arcimboldo und Caspar David Friedrich. Ohne ihre wunderbaren Werke wäre meine Arbeit nicht das was sie heute ist. Ich bin sehr dankbar für das, was ihre Arbeiten mich gelehrt haben. Das Kunstwerk das mich immer wieder zum schwärmen bringt ist der Klassiker „Das Eismeer“ von Caspar David Friedrich. Als Kind habe ich es als Poster an die Wand über mein Bett gepinnt und gefühlt tausendfach abgezeichnet. Es war „mein Schatz“ und Lehrer und ist es noch heute! Das Bild im Original zu sehen hat mich dann später unglaublich angespornt Kunst zu machen.
10 !
Welche Herausforderungen begegnen dir, wenn du alte und moderne Techniken in einem Werk vereinst?
Mir fällt es erstaunlicherweise leicht die beiden Welten, Alt und Neu miteinander zu kombinieren, da das Experiment „dies zu schaffen“, mir einen kreativen „Kick“ gibt. Man merkt sehr schnell, dass aus vielen dieser sogenannten alten Techniken die neuen entstanden sind und diese Techniken nur eine Neuinterpretation mit anderen Werkstoffen sind. Daher sollte man auch nicht jedes neue Pferd reiten, das einem untergestellt wird, manchmal war früher wirklich alles besser!
Aber die Kombination aus „lange bewährt“ und „neu gedacht“ hat mir viele Türen zu neuen Prozessen geöffnet und ist ein entscheidender Motor meiner Kreativität.
Natürlich geht durch experimentieren auch vieles daneben, gerade wenn man mit alten Papieren arbeitet, begegnen einem unerwartete Herausforderungen, da in diesen Papieren aufgrund des hohen Zellstoffanteils von Holz noch sehr viel Kraft steckt und diese den Bildträger verbiegen oder sogar zerstören können.
Das Papier zu bändigen hat mich viel (viel, viel, sehr viel) Zeit gekostet, aber heute liebe ich es, wenn ein 300 Jahre altes Stück Papier durch meine Behandlung wieder zum leben erwacht und mir seinen Willen zeigt.
„Für meine Sammler sind inzwischen die verbogenen Bildträger, die durch den Trocknungsprozess entstanden sind, zu meinem ‚Markenzeichen‘ geworden.“
Thank you for nothing
© Alexander Ehrhard, Mixed Media, De-Collage ,Acrylmarker, Sprühfarbe auf Malkarton / 30 x 40 cm
(Project: The boundaries are ourselves)
11 !
Wie siehst Du die momentane Entwicklung der modernen Kunst und welche Ziele und Wünsche hast du selbst an Deine eigene Arbeit?
Ich glaube, dass die momentane Zeit sehr viel Potential für neue künstlerische Entwicklungen bietet, da Künstler unterschiedlich auf den Einfluss der neuen Technologien wie KI gestützte Prozesse oder immersive Darstellungsformen reagieren werden.
Es wird Kunst geben, die komplett durch diese neuen Technologien erzeugt werden wird und wir werden eine Gegenbewegung erleben, die sich der rein von Hand gemachten Kunst widmen wird. Wir haben bereits jetzt interessante Ansätze von Entwicklungen, die der vergangener Epochen wie der Romantik ähnlich sind.
Die Romantik stellte damals (19.Jahrhundert) der Industrialisierung und der Rationalität der Aufklärung eine Bilderwelt aus Natur, Emotion und Mystik entgegen. Heute setzen Künstler, die auf die Entwicklung der Digitalisierung reagieren ebenfalls Themen wie Vergänglichkeit, Natur und Esoterik als Gegenbalance entgegen.
Ich selbst würde es gut finden, wenn wir Künstler nicht zu schnell und voreilig über die neuen Technologien urteilen sondern sie als weiteres Tool sehen, unsere Kreativität zu bündeln oder sie besser umsetzen zu können. Für mich selbst fühlt sich zwar momentan die Verwendung von KI auch noch an, als wäre ich ein unbeholfener, digitaler Bildhauer, der versucht aus Pixel Bilder zu brechen, aber auch ich habe bereits Wege gefunden sie in meine Arbeit einzubinden.
Für Künstler die durch körperliche Einschränkungen bisher Barrieren hatten Kunst zu erzeugen, kann diese digitale Entwicklung ebenfalls neue Möglichkeiten bieten sich auszudrücken.
Was sich aber für mich in der momentanen Entwicklung noch falsch anfühlt ist, wenn jegliche von Hand geschaffenen Arbeiten, wie die der Malerei und der Bildhauerei nur über ein Handydisplay betrachtet und beurteilen werden.
Wünschenswert wäre, dass diese Arbeiten wieder mehr „Real“ sind und die Möglichkeit genutzt und geschaffen wird, diese in „Echt“ zu genießen.
Es gibt über die sozialen Medien inzwischen für jeden Kreativen die bequeme Möglichkeit sich seine eigene kleine Galerie zu bauen, um seine Arbeiten einem internationalen Publikum zeigen zu können.
Dies hat uns Künstlern eine tolle Möglichkeit geschaffen, „Werbung“ für sich zu machen, gerade für Künstler, die nicht das Glück haben, durch Galerien oder Art-Manager vertreten zu werden.
Und ehrlich zugegeben, ich finde es wirklich auch ab und zu total „chillig“ in meinem schlabbrigen Klamotten auf dem Sofa zu sitzen und einen virtuellen Rundgang durchs Kunstmuseum zu machen, hier und da swipe ich links oder rechts und hau einen „Like„ und einen Kommentar mit „Herzchen“ raus, weil ich war ja schließlich, zumindest mit dem Mauszeiger da!
Aber glauben sie mir, absolut nichts schlägt die Erfahrung Kunst in der Realität zu betrachten, die wahre Farbe, der Geruch, die Größe und Struktur, oder wie das Werk auf einem im Raum wirkt, sind alles Dinge die passen in kein Smartphone dieser Welt – auch in 100 Jahren noch nicht!
Also brauchen wir mehr realen „Art-Space“, mehr mutige Galerien, mehr Möglichkeiten und Ideen Kunst an vielleicht noch unvorstellbaren Plätzen zu zeigen. Die moderne Streetart hat uns hier bereits interessante Wege aufgezeigt.
„Und wenn wir Künstler alle ehrlich sind, es ist bei weitem schöner, einen realen ‚Like‘ mit Augenkontakt zu bekommen, als nur den ‚digitalen Daumen‘.“
Was ich mir für meine eigene Arbeit wünsche, ist, dass ich sie weiterhin leben darf. Dies bedarf, dass ich „dran“ bleibe und unermüdlich nach neuen Möglichkeiten suche mich auszudrücken, um meine Arbeit voranzutreiben und auch als eigener Manager mutig agiere.
Es bedarf Menschen die meine Arbeiten mögen und denen ich dankbar sein kann, dass sie sich bei den täglich Millionen entstehender Werke eben meines ausgesucht haben, um es mit nach Hause zu nehmen. Ich wünsche mir mich nie arrogant und überheblich als Person über die Kunst zu stellen, sondern das Verständnis zu haben, die es benötigt, dass ich großes Glück hatte dies alles tun zu dürfen und es Menschen gibt die meine Leidenschaft für die Kunst in meinen Bildern lesen können.