FRIEDENSREICH HUNDERTWASSER
SCHÖN & GUT
Buchheim Museum, Bernried
22. Oktober 2016 – 5. März 2017
WERBUNG
Mehr „dekorative“ als „wirkliche“ Kunst …
„Nicht mehr dem heutigen Zeitgeist entsprechend“ …
… ganz ehrlich, dachte ich bis vor Kurzem auch so.
Liebeserklärung an einen „übervermarkteten“ Künstler
Ich kann mich nicht freisprechen, von diesen Vorurteilen, von welchen ich mich inzwischen allerdings komplett distanziert habe!
Und so kann ich gleich vorweg nehmen, dass dieser Artikel deshalb dann doch eine kleine Liebeserklärung an Friedensreich Hundertwasser wurde.
Natürlich dachte ich sofort an meine Jugend-Zeit, als wir überall mit Deko-Artikeln im Hundertwasser-Stil „zugeschissen“ wurden, bis keiner seine Kunst mehr sehen konnte – und ich wähle jetzt mit Absicht diesen Ausdruck, da er in meinem folgenden Artikel über ihn noch Gebrauch finden wird, allerdings (überraschenderweise) in sehr positivem Zusammenhang.
Mit eben diesen Dekoartikeln hatte er und Lothar-Günther Buchheim, Gründer des Buchheim Museums und Verlags-Besitzer, damals sehr viel Geld gemacht. Wirklich schlau von den beiden Freunden, diesen Zeitgeist in dieser Weise für sich zu nutzen, selbst wenn dies seinem Renomee als Künstler auf die Dauer viel mehr schadete … siehe das vorhin beschriebene, ausgeprägte Ressentiment, welches gegen seine Kunst heute – vielleicht gerade deshalb – vorzuherrschen scheint.
Ein ganz besonderer Grund und somit vielleicht sogar ein klein wenig in der Verantwortung des Buchheim Museums, diese Ausstellung zu realisieren und damit das Ansehen dieses wunderbaren Künstlers geradezurücken und ihm damit die Ehre zukommen zu lassen, die ihm durchaus gebührt. Das fand wohl allen voraus und vielleicht sogar einigen Kritikern vorneweg zum Trotz, der Museums-Direktor Daniel J. Schreiber, der sich mit ganzem Herzen dieser Aufgabe widmete und mit großem Aufwand und Einsatz dieses umfassende Lebenswerk Hundertwassers kuratierte.
Als ich für meinen Artikel „Museum @ Work / Hinter den Kulissen des Hundertwasser-Aufbaus“ *klick die farbenprächtigen Druckgrafiken & Originale zum ersten Mal vor meinen eigenen Augen sah und Daniel J. Schreiber mir von Hundertwasser‘s kosmologischem Prinzip, den drei b.z.w. fünf Häuten, dem Fensterrecht und seinem Aufruf zum Individualismus in Architektur und Kleidung erzählte, war es um mich geschehen; ich hatte mich auf der Stelle in den Künstler & Menschen Friedensreich Hundertwasser, in seine Überzeugungen und sein farbgewaltiges Werk verliebt.
Japanische Einflüsse
Seine Druckgrafiken faszinierten mich vom ersten Moment an, als ich sie beim Aufbau erblickte und später an der schwarzen Wand hängend, erstrahlten sie regelrecht in ihrer ganzen Farbenpracht. Was mir besonders gefällt, ist der in einigen Werken zu erkennende japanische Einfluss, welcher auf seine Reise nach Japan 1961 zurückzuführen ist, bei welcher er auf der 6. Internationalen Kunstausstellung in Tokio mit dem Mainichi-Preis ausgezeichnet wurde und dort später auch seine zweite Frau, eine Japanerin ehelichte. Die japanischen Zeichen an den Rändern vieler Grafiken verdeutlichen und unterstreichen dies noch in ganz besonders stilvoller Weise.
Zu dieser Zeit wandelte sich übrigens auch sein Vorname von Friedrich in Friedenreich, was durch die Übersetzung seines Namens in die japanischen Zeichen „Friede“ und „reich“ begründet liegt. Ab 1968 trug er den Vornamen Friedenreich, später in der heutigen Form Friedensreich. Seinen Nachnamen hatte er da schon längst gewechselt; als er 1948 einen kurzen Zwischenstop in der Wiener Akademie der bildenden Künste einlegte und auf die Idee kam, seine Bilder mit diesem Künstlernamen zu unterzeichnen. Hundertwasser ergibt sich einfach aus seinem Geburtsnamen Stowasser, bei welchem das Wort „Sto“ in slawischer Sprache „hundert“ bedeutet. Übrigens brach er sein Studium dort ab und fing stattdessen an zu reisen.
Ich könnte jetzt hier seine komplette Lebensgeschichte für Euch niederschreiben, was ich mir aber gerne sparen möchte, können wir seine Biografie doch auf der Webseite der Hundertwasserstiftung *klick oder etwas kürzer bei Wikipedia *klick in allen Details nachlesen.
Persönlichkeit mit Vorbild-Charakter
Ich möchte allerdings nicht ungesagt lassen – weil ich dies für einen wichtigen Bestandteil des Künstlers & Menschen Hundertwasser halte – dass er als Kind jüdischer Eltern geboren wurde, früh den Vater verlor, katholisch getauft wurde, mit 10 Jahren in die Hitler-Jugend eintreten musste und im Anschluss seine ganze jüdische Familie durch den Holocaust verlor. Dass er trotz dieses Erlebnisses, Deutschland liebte, nicht mied und seine Kunst nicht aus Rache vor uns verschloss – obwohl wirklich ein jeder empathisch fühlende Mensch dafür Verständnis aufbringen könnte – zeugt von einem ganz besonderen Charakter. In Zeiten, in denen viele Menschen, Hass und Eigenliebe über Liebe und Mitgefühl für andere stellen, ist er mehr denn je leuchtendes Vorbild. Angesichts der Ereignisse dieser Tage bezüglich der Vorbildpersonen dieser Welt – denke man nur an den Ausgang der amerikanischen Präsidentenwahl – wäre es überaus wünschenswert, wenn es mehr solcher Menschen gäbe, die zu dieser Art von Vergebung, Güte, Liebe und sozialem Engagement in der Lage wären, wie es Friedensreich Hundertwasser uns vorlebte, anstatt sich in Hassparolen und Ausgrenzung zu verlieren.
Eigentlich möchte ich hier anstelle seiner Vita lieber einige seiner Überzeugungen „anteasern“. Heißt, ich werde das, was mich am meisten zum Nachdenken anregte im Folgenden kurz aufführen und damit versuchen Euch auf den Künstler und sein soziales Engagement und den Umweltschutz neugierig zu machen, zumal dies auch heute nichts an Aktualität eingebüßt hat.
Solltet Ihr dadurch Feuer fangen und gerne mehr wissen und sehen wollen, empfehle ich das von Daniel J. Schreiber im Buchheim Verlag herausgegebene Buch zur Ausstellung. Wenn Euch die kleine Leseprobe *klick zusagt, könnt Ihr es im Museums Shop online erwerben *klick oder bei Eurem Besuch der Ausstellung bis 5. März 2017, den ich Euch natürlich sehr ans Herz legen möchte.
1. Kosmisches Prinzip der Spirale
2. Schön & gut
3. Humus-Toilette & Pflanzenkläranlage
4. Drei Häute
5. Fensterrecht
6. Verschimmelungsmanifest
Kurze Erklärung, in meinen Worten zusammengefasst:
- Hundertwasser‘s kosmologische Vorstellungen beruhen auf Aristoteles Vorstellung von runden Schalen, die um einen Kern herum den Kosmos ergeben. Man stelle sich Hohlkugeln vor, die wie nach dem Babuschka-Prinzip funktionieren (die kleinste steckt in der größeren, diese wieder in einer größeren u.s.w.). So stellte man sich von Aristoteles weg bis ins Mittelalter den Kosmos vor, nämlich dass sich dieses Prinzip von den großen Sternen des Weltalls bis hinunter in die Mikroorganismen des z.B. menschlichen Körpers durchzieht. Alles folgt der gleichen göttlichen Ordnung.
Bei Hundertwasser ist es ähnlich, nur dass sich der Nichtwissenschaftler dieses Gebilde spiralförmig vorstellt. Was besonders wichtig für ihn ist, um ein offenes System zu erhalten, an welches er immer neu andocken kann. Diese Spirale geht vom Belebten zum Unbelebten, vom Tod zum Leben und wieder umgekehrt – sich vom allerkleinsten Lebewesen bis hin zu den größten Sternen entwickelnd. Dahinter steckt eine ganzheitliche Theorie und Lebensauffassung, welche auch bedingt, dass er Kunst nicht nur um der Kunst Willen macht, sondern dass sie eine Aufgabe in diesem Kosmos hat: Durch Schönheit den Weg zum Guten zu zeigen. Deshalb Hundertwasser‘s und zugleich Motto der Ausstellung: - Schön & Gut. Dies ist eigentlich eine uralte philosophische Frage: Ist das Schöne auch gleichzeitig das Gute? Das Schöne und das Gute, fällt in der Idee des Guten zusammen. Also eigentlich ist etwas nur schön, wenn es gleichzeitig gut ist. Manches Schöne scheint gut, ist es aber nicht. Hundertwasser sagt: Ja gut, es ist nicht alles zum Besten auf dieser Erde. Es gibt Umweltzerstörung, Kriege, unglückliche Menschen … Menschen die in grauenvollen Häusern leben, übereinandergeschachtelt wie die Hühner in der Batterie. Er übt also Kritik an der kulturellen Verfasstheit und möchte als Künstler etwas daran ändern. Deshalb malt er schöne Bilder und nimmt damit im Kleinen vorweg, wie es im Großen passieren kann. Darüber kann man lachen, aber wenn wir uns das Lebenswerk ansehen, sehen wir, dass er nicht nur schöne Bilder geschaffen hat, sondern am Ende viel Architektur gemacht hat, in welcher seit langem viele Menschen leben. Und wenn wir diese heute fragen, wie es ihnen dort so geht, dann sagen sie, sie identifizieren sich zu 100% damit und sind überglücklich dort leben zu dürfen. Es gibt Wartelisten für seine Häuser, für welche die Angemeldeten jahrzehntelang Geduld aufbringen müssen, weil keiner mehr freiwillig auszieht. Daniel J. Schreiber sagt mir, er kennt keinen Künstler des 20. Jahrhunderts der „lebenstechnisch“ so viel erreicht hat wie Hundertwasser.
- Die Humus-Toilette und die Pflanzenkläranlage sind die kosmische Metapher für alles und zeigen, dass Hundertwasser voll hinter seinen Überzeugungen stand; Kunst und Leben bildete bei ihm eine Einheit! Dieses Prinzip „aus Scheiße Gold machen“ stützte maßgeblich seine Lebensauffassung. Er hatte zeitlebens ein schlechtes Gewissen, wenn er in Wassertoiletten „geschissen“ hat – wie er es selbst auszudrücken pflegte und sich dabei kein Blatt vor den Mund nahm – weil er damit Trinkwasser mit Kolibakterien kontaminierte und das Wasser somit untrinkbar machte, was komplett gegen seine Überzeugungen ging.
Also musste er sich überlegen, wie er dies umging und entwickelte die Humustoilette für das „große Geschäft“ & die Pflanzenkläranlage für das „kleine“. Es gibt sogar einen genau erklärten Bausatz für beide, der auch heute noch im Internet verfügbar ist *klick. Die Humustoilette funktioniert nach einem simplen Prinzip: Wenn unsere Hinterlassenschaft mit einer Schicht aus Humus zugedeckt wird, wird sie in kürzester Zeit zu wertvollster Erde, auf dieser wieder Lebensmittel wachsen können. Heißt für Hundertwasser, wir geben wieder etwas zurück in den spiralförmigen Kosmos und sorgen dafür, dass das Prinzip Werden und Vergehen erhalten bleibt. Für dieses stehen auch seine Bilder, aber in der Toilette konzentriert sich eigentlich alles! Aus diesem Grund ist sie auch das zentrale Ausstellungsstück im spiralförmigen, dunkelroten Herzen der Konzeption im Buchheim Museum nach Daniel J. Schreiber! Toll durchdacht, findet Ihr nicht auch?! - Drei Häute. Die erste Haut ist unsere natürliche, die menschliche. Umhüllt wird sie durch die zweite Haut, unsere Kleidung. Das Tragen von Konfektionsware macht uns in seinen Augen zu Opfern des Uniformierungszwangs der Massengesellschaft, weshalb er uns dazu auffordert unsere Freiheit zu verteidigen, indem wir uns schön und vor allem selbst gestaltet kleiden. Hundertwasser klagt zeitlebens das Recht auf die Freiheit des Individuums ein und somit unsere Häute selbst gestalten zu können. Auch die dritte Haut, die menschlich gestaltete Umgebung, also die Architektur, fällt unter diese Forderung. Hieraus resultiert das Fensterrecht und entstand das Verschimmelungs-Manifest. Er kritisiert dabei die Sterilität und Uniformität der rationalistischen Architektur.
- Fensterrecht. *klick Wir denken Häuser bestehen aus Mauern, Hundertwasser sagt aus Fenstern. Jeder Mensch soll die Möglichkeit haben, soweit seine Arme nach aussen gelehnt reichen, dieses nach seinen individuellen Vorstellungen zu gestalten um damit seiner Persönlichkeit Ausdruck zu verleihen und sich so vom versklavten Normmenschen abzugrenzen.
- Verschimmelungsmanifest *klick gegen den Rationalismus in der Architektur. Seine These: Erst durch verschimmeln und verrosten würde diese erst wieder naturnah und somit menschenwürdig. Etwas nachvollziehbarer ist dagegen seine Aufforderung Häuser für Bäume und Menschen zu bauen, die er in vielen seiner Architekturprojekten wundervoll umsetzte. Sein Anliegen war eigentlich ganz simple und wirklich „Schön & Gut“: eine natur- und menschengerechte Architektur.
Mein Fazit
Auch wenn ich mir seine Kunst nicht selbst in die Wohnung hänge, bin ich absolut begeistert davon und ob ihr‘s glaubt oder nicht, seit Letztens habe ich wieder ein kleines Notizbüchlein mit Hundertwasser auf meinem Schreibtisch liegen, weil es mich daran erinnert – vor allem in meiner Leidenschaft als Kunst-Bloggerin – immer offen für die Kunst zu sein, sich neugierig einzulassen, ohne vorherige Bedenken … urteilsfrei daran zu denken, dass jede Kunst auf ihre Weise ihre Daseinsberechtigung hat, egal ob sie einem gerade persönlich gefällt oder nicht! Und das Wichtigste: Immer Individuum und Freigeist bleiben, sich nicht zu sehr einpressen lassen in die Zwänge unserer Gesellschaft!